Es wird Herbst, die Blätter fallen,
der Dollar steigt, und über Nacht gibt es wieder ein paar Deutsche
mehr, die plötzlich einen amerikanischen Chef haben. Dieser Vorgang
ist besonders in der Computerbranche so häufig, daß es längst
Zeit wurde für den folgenden hilfreichen Artikel.
Think positive!
Lernen Sie loben, ohne rot zu werden.
Sie müssen Amerika nicht mögen, um einem amerikanischen Chef
zu imponieren. Sie müssen es lieben! Verehren! Abgöttisch! Schon
immer! USA war Ihr Jugendtraum! Die Befreier! Kaugummi! Micky Maus! Coca
Cola! Sie lieben Disney World und Kinder. Sie haben keine Angst, auch selber
ein bißchen kindisch zu sein. Sie kennen alle amerikanischen Filme
(das ist für deutsche Fernsehzuschauer nicht schwer) und geraten in
Verzückung über den Sex-Appeal der ausdruckslosen Scientology-Filmschönheiten
wie Nicole Kidman oder Priscilla Presley (das fällt schon schwerer).
Geheimtip: Nachts auf RTL 2 David Lettermans Late Show im Original gucken
und über diese Art von Humor lachen lernen. Bis Sie es selber wirklich
und ganz ehrlich lustig finden. Nicht schummeln!
Tendenz: immer steigend!
Der Rhythmus amerikanischen Geschäftslebens
ist der Vierteljahresbericht, und die Melodie dazu geht grundsätzlich
auf der Tonleiter aufwärts. Bilanzen müssen steigen, von einer
zur anderen, ohne Frühjahrshänger oder Sommerloch. Auch die Steigerungsrate
hat gefälligst zu wachsen. Also: Halten Sie Gelder vom fetten Weihnachtsgeschäft
in der Buchhaltung versteckt, um die schlappen Erträge vom Jahresbeginn
aufzupeppen. Wenn Sie diese einfache Grundregel beherzigen, werden Sie
nach drei Vierteljahren Europa-Geschäftsführer. Schneller als
bei US-Chefs kommt keiner nach oben. Wenn Sie es allerdings wagen, den
Umsatzeinbruch ohne jedes Make-Up in den quarterly report zu stellen, werden
Sie zum nächsten Quartal entlassen. Ebenfalls im Rekordtempo.
Give me good news, please!
Viele Fehler im Umgang mit Amerikanern
werden gemacht beim Tagesordnungspunkt >Kritik<. Dabei ist die Lösung
so einfach: Streichen sie den Punkt! Es kommt nur auf die Formulierung
an. Ein paar Beispiele: Unser Produkt ist um Lichtjahre mieser als sämtliche
Konkurrenzprodukte heißt auf Englisch: >We must work to be lightyears
ahead of our competition<. Ihr Vorschlag ist totaler >Schrott< heißt
korrekt übersetzt: >I highly appreciate your brilliant idea<. Und
dazu lächeln, auch wenn's weh tut.
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Übersetzungsprobleme
Überhäufen Sie Ihren US-Partner
mit Applaus, wenn er seinen einzigen vollständigen deutschen Satz
>Auf Wiedärsääihn< auszusprechen versucht. Zum Dank wird
er auch Ihr Englisch loben, das Sie sich in zahllosen Schuljahren und sündteuren
Crashkursen angeeignet haben. Rechnen Sie allerdings damit, daß ganze
Absätze Ihrer geschliffenen Rede nicht verstanden werden, wenn Sie
darin Kritisches über Amerika, dessen Menschen und Unternehmen anmerken
(zum Beispiel >Your company is quite ok< anstelle des korrekten >I have
never seen a more beautiful and super nice corporation<).
The Report Generator
Sie kennen die Zeile aus US-Polizeiserien:
Darüber will ich morgen einen kompletten Bericht haben! Die PC-Revolution
war nur möglich, weil die Geräte das Verfassen von reports vereinfachten,
dem Grundnahrungsmittel amerikanischer Unternehmenskultur. Lassen Sie sich
von einer US-Sekretärin eine Diskette mit ein paar Beispielen geben.
Branche und Inhalt sind egal. Bei reports kommt es nur auf genormte Wortwahl
an und auf schöne Schriftart. Es ist nicht bekannt, ob reports auch
gelesen werden. Keine zu verfassen ist jedoch ein Kündigungsgrund.
Celebrate!
Nie aufgeben! Auch kurz vor dem Bankrott
müssen Sie ein Fest feiern, das Ihrem Ruf als Glanzmanager angemessen
ist. Mit Square Dance, original amerikanischen Cowgirls und Hubschrauberrundflügen
über dem neuen Firmengelände. Mit ein bißchen Glück
wird Ihr amerikanischer Mutterkonzern samt Ihrer maroden Europa-Dependance
von einem noch größeren Konzern aufgekauft. Sie behalten Ihren
Job, denn in der Zentrale erinnert man sich an Ihr rauschendes Fest. Die
roten Zahlen gehen im Kursrausch der Spekulanten ohnehin unter.
WERNER TIKI KÜSTENMACHER, Pfarrer,
freier Cartoonist und Autor,verabschiedet sich vorsorglich von seinen
Lesern, da diese Zeitschrift selbstverständlich auch einem
US-Unternehmen gehört.
PC PROFESSIONELL Oktober 1995
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